Justinus Kerner Der Grundton der Natur
1768 – 1862
Wenn der Wald im Winde
rauscht,
Blatt mit Blatt die Rede
tauscht,
Möcht ich gern die Blätter
fragen:
Tönt ihr Wonnen? tönt ihr
Klagen?
Springt der Waldbach Tal
entlang
Mit melodischem Gesang,
Frag ich still in meinem
Herzen:
Singt er Wonne? singt er
Schmerzen?
Lausch der Äolsharfe nur!
Schmerz ist Grundton der
Natur;
Schmerz des Waldes rauschend
Singen,
Schmerz - des Baches murmelnd
Springen,
Und am meist aus Menschen
Scherz
Tönt als Grundton Schmerz, nur
Schmerz.
Justinus Kerner An Siegmund von Birken
1768 – 1862 1811
Laß dieses Wort des Danks zu
dir gelangen,
Du sel’ger Meister, für die
theuren Lieder.
Schwebtest voll Lieb’ in
unsern Garten nieder,
Wo wir von Rosen, Wald und
Sternen sangen.
Bekannte Töne dir entgegen
klangen,
Weckten in dir die alten
Lieder wieder,
Erkanntest ust als treue
deutsche Brüder,
Die tröstend sich in gleichem
Leid umfangen.
Vom festen Bündnis
gleichgestimmter Geister,
Von des gepreßten Vaterlands
Beschwerde,
Von Kraft in Hoffnung hat dein
Lied gesungen.
Wie bist du uns willkommen,
sel’ger Meister!
Zerrissen liegt und kalt die
deutsche Erde!
Deutscher Gesang nur hält uns
treu umschlungen.
1768 – 1862
Frisch aufgeblühet stand die
Heimath wieder,
Versöhnt dich lieben
Flüchtling zu empfangen,
Aus dunklem Grün mondhelle Blüthen
drangen,
Den Vögeln wuchs ein farbig
neu Gefieder.
Aus dunklen Wäldern tönten
ihre Lieder,
Im Thal, auf Bergen Hirt und
Hirtin sangen,
Es war, als senkt’ in aller
Farben Prangen
Der reiche Himmel sich zur
Erde nieder.
Und Arme waren ausgestreckt in
Freude,
Und Herzen schlugen sehnend
dir entgegen.
Vom rauhen Norden solltest du
erwarmen.
Da nahm dich uns der Tod mit
blassem Neide.
Nun welke nur, du reicher
Frühlingssegen!
Nichts frommst du mehr mit
deinem Schmuck uns Armen
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